Bergkarabach

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Bergkarabach (Erde)
Bergkarabach (Erde)
Armenien
Aserbaidschan
Lage Bergkarabachs in der größeren Region Karabach, die sich über Armenien und Aserbaidschan erstreckt
 Bergkarabach

Bergkarabach (armenisch Լեռնային Ղարաբաղ Lernajin Gharabagh, wissenschaftliche Transliteration Leṙnayin Łarabał; aserbaidschanisch Dağlıq Qarabağ oder Yuxarı Qarabağ, „gebirgiger schwarzer Garten“ oder „oberer schwarzer Garten“; auch Berg-Karabach) ist eine bis zu deren Flucht im September 2023[1] mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region im Südosten des Kleinen Kaukasus. Gebräuchlich ist außerdem die Transkription der russischen Bezeichnung Нагорный Карабах, Nagorny Karabach. Sie ist Teil der größeren Region Karabach und umfasst deren mittleren, gebirgigen Teil, dominiert vom Karabachgebirge und dem Karabach-Hochland.

Die Region ist zwischen Armenien und Aserbaidschan umstritten, der Bergkarabachkonflikt dauert noch immer an. Als politischer Begriff wird Bergkarabach oft mit dem ehemaligen Autonomen Gebiet Bergkarabach innerhalb der früheren Aserbaidschanischen SSR und mit dem daraus entstandenen De-facto-Regime der Republik Arzach gleichgesetzt, das unter anderem nach Ansicht der Vereinten Nationen und des Europarates weiterhin Teil des Staatsgebietes Aserbaidschans ist. Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 eskalierte der Konflikt zu einem Krieg, sodass ab Ende 1994 Bergkarabach und angrenzende Gebiete zu einem großen Teil von Armeniern kontrolliert wurden. Ab dem Krieg um Bergkarabach 2020 wurden größere Gebiete der Region wieder von Aserbaidschan kontrolliert. Seit September 2023 hat Aserbaidschan die alleinige Kontrolle über Bergkarabach.

Die Bezeichnung leitet sich vom Namen der größeren Region Karabach ab. Diese setzt sich aus ursprünglich persischen und türkischen Wortbestandteilen zusammen, so bedeutet im Aserbaidschanischen qara „schwarz“ und bağ „Garten“ (von persisch باغ, DMG bāġ), zusammen bedeuten sie „schwarzer Garten“.[2] Die Armenier nutzen für Bergkarabach vor allem die Bezeichnung Arzach (armenisch Արցախ', in wissenschaftlicher Transliteration Arc‘ax, in englischer Transkription Artsakh), die sich historisch auf die Provinz Arzach des antiken armenischen Königreiches der Artaxiden und das mittelalterliche Königreich Arzach bezieht.

Topographische Karte von Karabach mit Bergkarabach in der Mitte, aus der Zeit bis 2020

Die Region liegt in der Großregion Karabach, die sich zwischen den Flüssen Kura und Aras erstreckt.[3] Während das nordöstlich benachbarte Niederkarabach in den Ebenen der Kura in der Kura-Aras-Niederung liegt, umfasst Bergkarabach die daran anschließenden Ausläufer des Kleinen Kaukasus, insbesondere das Karabachgebirge und das Karabach-Hochland sowie im Norden den Gebirgszug Murovdağ. In diesem befindet sich mit dem 3724 Meter hohen Gamış dağı auch die höchste Erhebung. Im Süden wird die Region vom Aras begrenzt, der hier auch die Staatsgrenze zum Iran bildet. Im Westen schließt sich die Region Sangesur beziehungsweise Sjunik an. Die Region ist nicht genau abgegrenzt. In jüngerer Zeit wird sie oft mit der ehemaligen Autonomen Oblast Bergkarabach innerhalb der früheren Aserbaidschanischen SSR identifiziert, die sich jedoch nur in einem Teil des Karabach-Gebirges erstreckte. Das Autonomiegebiet umfasste 4400 Quadratkilometer.[4][5]

Bergkarabach fällt nach Osten zur Kuraniederung sowie nach Süden zum Aras hin ab, fast alle Flüsse fließen von Westen nach Osten oder nach Süden. Die größten Flüsse sind der Hakari, der in den Aras mündet, sowie die durch Niederkarabach in den Kura abfließenden Tartar und Chatschen. Im Laufe der Jahrtausende entstanden an diesen Wasserläufen dabei Canyons. Der größte See ist der Sarsang-Stausee am Tartar. Die größte Stadt in der Region ist mit über 50.000 Einwohnern Stepanakert, das auch Hauptstadt der Republik Arzach ist. Alle anderen Orte sind mit höchstens einigen tausend Einwohnern deutlich kleiner. Historisch bedeutsam als frühere Hauptstadt des Khanats Karabach ist Schuscha (armenisch Շուշի Schuschi), das wegen des Bergkarabachkonflikts jedoch einen großen Teil seiner Bevölkerung verloren hat.

Die Landschaft wechselt von Steppe in den tieferliegenden Tälern und Ebenen über dichte Eichen- und Buchenwälder zu Birkenwäldern und alpinen Wiesen in den höheren Lagen.[5] Die jährliche Durchschnittstemperatur beträgt 11 Grad Celsius.

Bis ins 19. Jahrhundert

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Das Kloster Gandsassar, 1240 fertiggestellt, 1400 bis 1816 Sitz des Katholikos von Albania

Das Gebiet von Bergkarabach war in der Antike oft Teil Armeniens, mehrfach aber auch des benachbarten Albania im heutigen Aserbaidschan oder bildete das Grenzland beider Staaten. Im 4. Jahrhundert wurde das Christentum in beiden Ländern Staatsreligion. Nach armenischer Auffassung war Bergkarabach mindestens ab dem Mittelalter mehrheitlich armenisch besiedelt. Infolge der arabischen Besetzung im 8. Jahrhundert stand die Region unter der Kontrolle verschiedener, vorwiegend muslimischer Völker, von Kurden, Arabern, Persern und ins Niederkarabach zugewanderten Turk-Stämmen. Spätestens mit der Landnahme der Seldschuken im 11. Jahrhundert stellten die dem islamischen Kulturkreis zugehörigen Ethnien die Bevölkerungsmehrheit in der Großregion. In Bergkarabach gab es dagegen durch die Fürstentümer der Meliks eine starke armenische Präsenz, wobei vom 12. bis zum 15. Jahrhundert die armenischen Fürsten des Hauses Hassan-Dschalaljan vom Fürstentum Chatschen über das Gebiet herrschten und 1216 das Kloster Gandsassar als Sitz des Katholikats von Aghwank (Albanien) der Armenischen Apostolischen Kirche gründeten.

Grenzen im Jahr 1882

Bis ins 18. Jahrhundert konnten sich lokale armenische Fürstentümer halten: die Fünf Fürstentümer von Karabach, die als Vasallen wechselnder Reiche regierten. Unter der Dynastie der Safawiden (1501–1736) waren die Fürsten Vasallen der persischen Schahs und zeitweise dem Khan von Gandscha unterstellt. Im ausgehenden 16. Jahrhundert übernahmen zeitweise die Osmanen die Vorherrschaft, wurden aber im 17. Jahrhundert in mehreren Kriegen vom Persischen Reich erfolgreich zurückgedrängt.[2] Mit dem Zerfall der Zentralmacht der Safawiden im 18. Jahrhundert machte sich das benachbarte Khanat Karabach unabhängig, unterwarf daraufhin die armenischen Fürsten und gliederte sie 1750 in das Khanat ein. 1805 unterstellte sich der Khan von Karabach dem Russischen Reich. 1813 trat Persien im Vertrag von Golestan Karabach und andere Khanate an Russland ab, wobei Karabach Teil des Gouvernements Elisawetpol wurde.[6]

Im 20. und 21. Jahrhundert

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Nach der Oktoberrevolution von 1917 erhoben sowohl Armenier als auch Aserbaidschaner Anspruch auf Bergkarabach. Um das Gebiet kam es zu heftigen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der Demokratischen Republik Armenien und der Demokratischen Republik Aserbaidschan, nachdem der gemeinsame Staatenbund zerfallen war. Nach der Eroberung durch die Rote Armee entschied das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Russlands im Juli 1921, das Gebiet von Bergkarabach aufzuteilen und den Kernteil davon als sogenannte Autonome Oblast Bergkarabach und den Rest unmittelbar an die Aserbaidschanische SSR einzugliedern, was 1923 umgesetzt wurde.[6] Bis 1929 gehörte ein anderer Teil Bergkarabachs zum Roten Kurdistan, einer autonomen Provinz. In den 1960er Jahren kam es erneut zu vereinzelten Unruhen. Die Armenier fühlten sich diskriminiert und waren besorgt, weil ihr Anteil an der Bevölkerung in Bergkarabach langsam, aber stetig abnahm (1926: 93,5 Prozent, 1989: 73,5 Prozent).[7]

1988 eskalierte der Konflikt. Es gab Massendemonstrationen in Armenien sowie Schießereien mit mehreren hundert Toten und Pogrome in Aserbaidschan. In der Folge kam es zu beidseitigen Ausweisungswellen und Flucht der jeweiligen Minderheit. Im September 1991 erklärte die Republik Bergkarabach ihre Unabhängigkeit, im November schaffte daraufhin Aserbaidschan den autonomen Status der Region ab. Ab 1992 kam es nach dem Massaker von Chodschali, dem Massaker von Maraga und mit einer Gegenoffensive der Armee Bergkarabachs zu verstärkter Gewaltanwendung von beiden Seiten, ab 1993 beteiligte sich Armenien mit eigenen Verbänden am Konflikt. Beim Waffenstillstand 1994 kontrollierten Armenier einen Großteil des von der Republik Bergkarabach beanspruchten Gebiets und eine Pufferzone zu Aserbaidschan.[8] Die Unabhängigkeit Bergkarabachs wird international nicht anerkannt. Nach 1994 gab es mehrere gescheiterte Vermittlungsversuche sowie wiederholt Kampfhandlungen. Nach Gefechten im Sommer 2020 kam es Ende September zu einem erneuten Krieg.[9] Am 9. November 2020 unterzeichneten beide Konfliktparteien eine erneute Waffenruhevereinbarung unter Vermittlung Russlands.[10] Durch die aserbaidschanische Offensive hatte die Republik Arzach ein Drittel ihres Gebietes verloren, darunter auch früher zur Autonomen Oblast zählende, traditionell armenische Siedlungen und Städte wie Hadrut. In Folge des Waffenstillstands musste Arzach ein weiteres Drittel seines Gebiets, das die frühere Oblast umgab, an aserbaidschanische Kontrolle abgeben.

Ab dem Sommer 2023 war der Latschin-Korridor gesperrt, und Nahrungsmittel und Medikamente kamen nicht mehr nach Bergkarabach. Deswegen breitete sich eine Hungersnot in Bergkarabach aus. Die armenische Regierung versuchte über den Europarat oder den UN-Sicherheitsrat auf das Thema aufmerksam zu machen, jedoch konnte sich die internationale Staatengemeinschaft nicht auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen.[11]

Im September 2023 eroberte Aserbaidschan Bergkarabach vollständig, was zur Flucht der Armenier führte.[12]

  • Emil Souleimanov: Der Konflikt um Berg-Karabach. In: OSZE-Jahrbuch 10 (2004), Bd. 10 (2004), S. 217–236.
  • Haig E. Asenbauer: Zum Selbstbestimmungsrecht des armenischen Volkes von Berg-Karabach. Wilhelm Braumüller, Wien 1993, (Reihe Ethnos Bd. 41), ISBN 3-7003-0978-3.
  • Hravard Hakobian, Manfred Richter (Hrsg.): Armenisches Berg-Karabach/Arzach im Überlebenskampf: christliche Kunst, Kultur, Geschichte. Edition Hentrich, Berlin 1993, ISBN 3-89468-072-5.
  • Johannes Rau: Berg-Karabach in der Geschichte Aserbaidschans und die Aggression Armeniens gegen Aserbaidschan. Köster, Berlin 2009, (Schriftenreihe Politikwissenschaft; Band 16), ISBN 978-3-89574-695-6.
  • Heiko Langner: Krisenzone Südkaukasus – Berg-Karabach, Abchasien und Südossetien im Spannungsfeld von Identität, Völkerrecht und geostrategischen Interessen. Köster, Berlin 2009, (Schriftenreihe Sicherheitspolitik; Band 1), ISBN 978-3-89574-702-1.
Commons: Bergkarabach – Sammlung von Bildern
Wiktionary: Bergkarabach – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Artak Beglaryan: Almost no Armenians are left in Nagorno-Karabakh. 1. Oktober 2023, abgerufen am 1. Oktober 2023 (englisch).
  2. a b Michael Reinhard Heß: Panzer im Paradies. Der Berg-Karabach-Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan. Verlag Dr. Köster, Berlin 2016, ISBN 978-3-89574-906-3, S. 29–32, 23–28 (verlag-koester.de [PDF; 1,7 MB] – Leseprobe des Verlags).
  3. Bergkarabach - Enzyklopädie - Brockhaus.de. Abgerufen am 7. Oktober 2020.
  4. Robert H. Hewsen, Armenia: A Historical Atlas. The University of Chicago Press, 2001, S. 163ff, 264.
  5. a b Nagorno-Karabakh. In: Encyclopaedia Britannica. Abgerufen am 7. Oktober 2020 (englisch).
  6. a b Andranik Eduard Aslanyan: Bergkarabach-Chronologie. In: Energie- und geopolitische Akteure im Südkaukasus. Der Bergkarabach-Konflikt im Spannungsfeld von Interessen (1991–2015). Hochschulschrift. Springer Fachmedien Verlag, Wiesbaden 2019, ISBN 978-3-658-28516-6, S. 335–349, doi:10.1007/978-3-658-28516-6 (springer.com [PDF; 710 kB]).
  7. Aser Babajew: Armenien. In: Weder Krieg noch Frieden im Südkaukasus. Hintergründe, Akteure, Entwicklungen zum Bergkarabach-Konflikt. Nomos, Baden-Baden 2014, ISBN 978-3-8487-1396-7, S. 73–90, doi:10.5771/9783845254500 (nomos-elibrary.de – Verlagsvorschau).
  8. Uwe Halbach: Nagorny-Karabach. Dossier. In: Konfliktporträts. Bundeszentrale für politische Bildung, 20. November 2017, abgerufen am 28. September 2020.
  9. Schwere Kämpfe in aserbaidschanischer Region Berg-Karabach. Deutsche Welle, 27. September 2020, abgerufen am 28. September 2020.
  10. Bergkarabach: Armeniens Regierungschef ordnet Ende der Kämpfe um Bergkarabach an. In: zeit.de. 10. November 2020, abgerufen am 11. November 2020.
  11. Alexander Kauschanski: Vor dem Verhungern. Seit Monaten ist Bergkarabach von der Versorgung abgeschnitten. Nun soll es einen Hungertoten geben. Der unterernährten Bevölkerung läuft die Zeit davon. In: Zeit Online. Zeit Online GmbH, 25. August 2023, abgerufen am 22. August 2023.
  12. Artak Beglaryan: Almost no Armenians are left in Nagorno-Karabakh. 1. Oktober 2023, abgerufen am 1. Oktober 2023 (englisch).

Koordinaten: 39° 48′ N, 46° 42′ O