Hinrich Medau

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Hinrich Medau, März 1938

Hinrich Medau (* 13. Mai 1890 in Süderstapel; † 1. Januar 1974 in Gießen) war ein deutscher Gymnastikpädagoge, der die Medau-Gymnastik und die Spezialform der Organgymnastik prägte und formte.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Medau stammte aus einer Bauernfamilie und besuchte bis 1904 die Dorfschule in Süderstapel. Daran schloss sich die Ausbildung zum Volksschullehrer an einer Präparandenanstalt an. 1910 und 1912 legte er seine beiden Staatsexamen für den Lehrerberuf ab. Daneben besuchte er Privatkurse und nahm Privatunterricht. 1913 ging er als Musiklehrer an die deutsche Schule in Lissabon. Dort heiratete er eine Deutsche aus Darmstadt, die jedoch bald nach der Geburt einer Tochter starb.

Im Ersten Weltkrieg musste Medau 1916 Portugal verlassen und ging nach Spanien, wo er bis 1922 als Lehrer an der deutschen Schule in Madrid arbeitete. 1922 kehrte er nach Deutschland zurück und studierte Pädagogik, Anatomie, Physiologie, Musik und Gymnastik in München und Berlin. An der Gymnastikschule von Rudolf Bode in München machte er 1924 sein Diplom als Gymnastiklehrer und leitete anschließend eine Zweigstelle der Gymnastikschule Bodes in Berlin. 1927 wurde er aus dem öffentlichen Schuldienst in Preußen entlassen – zuvor war er jahrelang beurlaubt gewesen. Ab 1929 übernahm Medau die Gymnastikschule in Berlin eigenständig; diese hieß nun „Gymnastikschule Medau“.

Hinrich Medau mit einer Besuchergruppe aus Spanien, Mai 1938

1932 trat Medau zusammen mit Rudolf Bode in die NSDAP ein. Für Vorführungen bei den Olympischen Sommerspielen 1936 erhielt Medau den Auftrag, eine Gymnastk mit den olympischen Symbolen der olympischen Ringe zu gestalten. Erstmals wurden hier Ringe in die Gymnastik einbezogen. 1938 stellte Medau seine Arbeit auch in den Dienst des „Bunds Deutscher Mädel“ (BDM). Medau hatte Einfluss auf das Ausbildungssystem, die Gymnastik sowie die Lehrgänge für „Sportwartinnen“ des BDM. Einige seiner Schülerinnen traten auch bei zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen auf und wirkten im Propagandafilm „Glaube und Schönheit“ mit. Medau wurde 1938 zum „Stammführer“ im „Amt für körperliche Ertüchtigung der Reichsjugendführung“ im Reichserziehungsministerium befördert. 1939 wurde er „Bannführer“ als Leiter der „Gymnastikschule der Reichsjugendführung“, die sich in der Reichssportschule 3 Stuttgart-Degerloch befand, wobei der letzte Titel wahrscheinlich eher eine Art Ehrentitel war. Medau war überzeugter Nationalsozialist mit rassistischen und völkischen Ansichten. Gymnastik sollte in seinen Augen auch der Gesinnungsbildung und weltanschaulichen Schulung dienen.

1943 wurde das Gebäude der Gymnastikschule bei einem Bombenangriff der Alliierten zerstört. Medau eröffnete seine Schule daraufhin in Breslau neu. 1944 organisierte die Schule eine große Vorführung beim Reichssportfest der Hitler-Jugend. Im gleichen Jahr wurde Medau zum Volkssturm eingezogen und geriet in russische Kriegsgefangenschaft. Er konnte nach Brekling in Schleswig-Holstein fliehen, wo er auf dem Hof seines Bruders unterkam. Dort blieb er nur wenige Tage, bevor er nach Sylt zog, wo er versuchte, eine neue Schule aufzubauen. 1945 wurde er dort jedoch von der britischen Besatzungsmacht gefangen genommen und war bis Anfang 1947 zuerst im Internierungslager Neumünster-Gadeland und anschließend im Internierungslager Eselheide interniert war. Bei der Entnazifizierung wurde Medau in die Kategorie IV, also als Mitläufer eingestuft.

Nach der Internierung hielt Medau sich zunächst wieder bei seinem Bruder in Brekling auf, bevor er in den Anlagen der Landessportschule Flensburg-Mürwik seine Gymnastik-Schule wiederaufbaute. Leiterin wurde nun jedoch Medaus Frau Senta Medau. Hinrich Medau selbst war an der Schule nur als angestellter Lehrer tätig. Seine NS-Vergangenheit war in den folgenden Jahren mehrmals Thema öffentlicher Auseinandersetzungen. Er pflegte auch Kontakt zu ehemaligen Nationalsozialisten, die in Schleswig-Holstein lebten bzw. untergetaucht waren.

Mitte der 1950er Jahre verlegte Medau seine Schule nach Coburg.

Erinnerung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Medau-Schule in Coburg, Berufsfachschule für Physiotherapie, Gymnastik, Logopädie und Ergotherapie, trägt seinen Namen.[1]

Veröffentlichungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Rhythmische Gymnastik als tägliche Kraftquelle. Union, Stuttgart 1925 (mehrere Auflagen bis 1930]
  • Meine Arbeitsweise. In: Gymnastik. Bd. 8 (1933), Heft 3/4.
  • Bewegungs-Musik. 10 Klavierstücke für den Gymnastik- u. Turnunterricht. 2 Bde., Bote & Bock, Berlin 1934–1938.
  • Die Gymnastik, die uns sicher allerlei gelehrt hat. In: Leibesübungen und körperliche Erziehung. Bd. 57 (1938), S. 170–172.
  • Musik zur Bewegungsgestaltung: 10 Klavierstücke. Kallmeyer, Wolfenbüttel 1939.
  • Deutsche Schulgymnastik. In: Leibesübungen und körperliche Erziehung. Bd. 59 (1940), Heft 1, S. 1–4.
  • Deutsche Gymnastik: Lehrweise Medau. Mit 35 Fotos von Hermann Baumann. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1940.
  • Rhythmisch-musische Gymnastik: für Frauen und Mädchen in Schule und Verein. Limpert-Verlag, Frankfurt a. M. 1952 (4 Auflagen bis ca. 1960).
  • Musik für moderne Gymnastik. 7 Schallpl. in Box + Beiheft Choreographien. Schallplattenverlag Kögler, Stuttgart ca. 1960.
  • Moderne Gymnastik – Lehrweise Medau: ein Lehr- und Lesebuch der modernen Gymnastik. Pohl, Celle 1967.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hildegard Erbguth: Medau, Hinrich. In: Neue Deutsche Biographie. Bd. 16 (1990), S. 594–595 [Online-Version: https://www.deutsche-biographie.de/pnd129588369.html#ndbcontent].
  • Michael Krüger, Finn Kramer, Paula Giesler: Hinrich Medau (1890–1974) und seine Gymnastik. Von den Anfängen bis in die 1950er Jahre. Academia-Verlag, Baden-Baden 2023, ISBN 978-3-98572-113-9.
  • H Jochen Medau, Birgit Anschütz, Regina Bühlmeyer, Gisela Klötzer, Ingrid Medau: OrganGymnastik; Lehrweise Medau - Bewegung ist Leben, Hofmann-Verlag, Schorndorf 2003, ISBN 978-3-7780-3320-3

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. www.medau-schule.de/ueber-medau, abgerufen am 30. Mai 2024