Howeitat

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Verbreitungsgebiet der Howeitat um 1838
Auda Abu Tayi mit einer Gruppe von Offizieren der Arabischen Armee und den Scheichs und Stammesältesten 1916

Die Howeitat oder Huwaitat (arabisch الحويطات, DMG al-Ḥuwaiṭāt) sind ein großer Stammesverband, der Gebiete des heutigen südlichen Jordanien, der Sinai-Halbinsel, im Gouvernement Sharqia in Ägypten, im Negev und im nordwestlichen Saudi-Arabien, bewohnt. Die Howeitat bestehen aus mehreren Stämmen, beispielsweise die Ibn Jazi, die Abu Tayi, die Anjaddat und die Suleimanniyin, zusätzlich zu einer Reihe von verwandten Stämmen.

Die Howeitat haben in der Vergangenheit viele Soldaten der Saudi-Arabischen Nationalgarde und der Jordanischen Streitkräfte gestellt. Sie besitzen viel Land um Wadi Rum bis hinein nach Saudi-Arabien.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auda abu Tayi, Stammesführer der Howeitat, bietet König Faisal 1917 seine Loyalität an

Die Howeitat führen ihre Abstammung auf einen einzelnen Vorfahren, einen Ägypter namens Howeit, zurück.[1] Kamal Salibi zufolge könnte ihre Anwesenheit in der Region auf das 18. Jahrhundert zurückgehen, als die Stämme der nordarabischen Wüste durch die Ausbreitung der mit den Wahhabiten, einer puristisch-traditionalistischen Richtung des sunnitischen Islam, assoziierten Beduinen Zentralarabiens nach Norden gedrängt wurden. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts beanspruchten die Howeitat bereits Gebiete um Akaba und weiter nördlich; sie erhoben auch Anspruch auf Land in Ägypten.[2]

Ein Teil begann zu siedeln und betrieb Landwirtschaft in den fruchtbaren Gebieten von al-Sharat und Pastoralismus. Aber Anfang des 20. Jahrhunderts wurden sie wieder zu Nomaden, weil zwei rivalisierende Scheichs, Abtan Ibn Jazi und Auda Abu Tayi, sich auf Beutezüge, Schutzgeld und Kamelzucht konzentrierten.[3]

Rolle während des arabischen Aufstandes[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Abu Tayi-Zweig des Stammes unterstützten die arabischen Herrscherfamilie der Haschimiten, während der Arabischen Revolte unter der Führung von Prinz Faisal, aus der Haschimiten-Dynastie., in der sie einen wichtigen Teil von Faisals Streitkräften bildeten; Auda abu Tayi konnte eine Truppe von Beduinenstämmen zusammenstellen, die bereit waren, unter dem Banner von Prinz Feisal bin Hussein auf Akaba zu marschieren. Der Ibn Jazi-Zweig des Stammes blieb dem Osmanischen Reich gegenüber loyal; ihr Anführer Hamad ibn Jazi wurde Anfang 1917 vom Osmanischen Reich ausgezeichnet.[4]

In späteren Jahren kehrten die Howeitat zur Landwirtschaft zurück; sie spielten auch in der Arabischen Legion eine wichtige Rolle, wobei der Ibn-Jazi-Zweig zur mächtigsten Komponente des Verbandes wurde. Die Howeitat sind noch immer im Besitz großer Gebiete um das Wadi Rum und bis nach Saudi-Arabien hinein; sie waren in der Vergangenheit eine wichtige Quelle für die saudi-arabische Nationalgarde und die königlich-jordanischen Landstreitkräfte.

Zwangsumsiedlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Heutzutage hat der Stamm der Howeitat seine nomadische Lebensweise weitgehend aufgegeben und sich in Dörfern niedergelassen.[5] Die Pläne zum Bau des Siedlungsprojektes Neom sehen die Zwangsumsiedlung von ca. 20.000 Howeitat vor; viele protestierten gegen das Vorhaben. Medien berichten von Zwangsräumungen, immer mehr Stammesangehörige setzten sich gegen die Pläne zur Wehr. Die saudische Menschenrechtsorganisation Alqst berichtet von mehreren Verhaftungen von Stammesmitgliedern, die sich weigerten, ihre Häuser zu verlassen.[6][7]

Besonders öffentlichkeitswirksam ging Abdulrahim al-Howeiti vor, der sich 2020 in einer Videobotschaft an seine Landsleute wandte. Seine Heimat stehe zum Verkauf – kurz darauf wurde er von Regierungskräften getötet. In einem Video erzählt er, dass seine Heimatstadt Al-Khuraybah als eine der ersten weichen soll. Er sprach von „Zwangsumsiedlung“ und „Staatsterror“ und rechnete mit Mohammed bin Salmans Herrschaft ab: Die einheimische Bevölkerung müsse verschwinden, um mehr als einer Million Ausländern ein Luxusleben zu ermöglichen.[8]

Seit Anfang 2021 wurden mehrere Dörfer in der Gegend ganz oder teilweise abgerissen und die Bewohner zwangsumgesiedelt;[9] 2022 wurden mehrere protestierende Bewohner zum Tode oder zu langen Haftstrafen verurteilt.[10][11]

Im Mai 2023 verurteilte die saudi-arabische Regierung sechs Howeitat wegen ihres Widerstands gegen die geplante Stadtentwicklung wegen Terrorismus. Drei der Verurteilten empfingen die Todesstrafe, während die anderen drei zu Haftstrafen zwischen 27 und 50 Jahren verurteilt wurden. UN-Sonderberichterstatter, die im Auftrag des Amtes des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte tätig sind, bestreiten die Richtigkeit der Anklagen und der Verurteilung und erklären, dass die Männer „wegen Widerstands gegen Zwangsräumungen“ verhaftet wurden, und behaupten, dass die Inhaftierten gefoltert wurden.[12]

In der Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Howeitat werden häufig in Richard Francis Burtons Reisebericht The Land of Midian (1879) erwähnt, in dem er die traditionellen Erzählungen über die Genealogie der "Huwayta't" wiedergibt.[13]

Sie werden auch in Lawrence von Arabiens Die sieben Säulen der Weisheit und im Film von David Lean Lawrence von Arabien (1962) erwähnt.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Huwaitat Tribe – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Georg L Harris: Jordan: its people, its society, its culture, HRAF,. New Haven, Hraf Press, 1958, S. 56 (englisch).
  2. K.Salibi: The Modern History of Jordan. Tauris, 1998, ISBN 1-86064-331-0, S. 26–27 (englisch).
  3. Y. Alon, J. Eilon: The Making of Jordan: Tribes, Colonialism and the Modern State. Tauris, 2007, ISBN 978-1-84511-138-0, S. 162 (englisch).
  4. J. Teitelbaum: The Rise and Fall of the Hashimite Kingdom of Arabia. Hurst, 2001, S. 92.
  5. Frank Gardner: Saudi tribe challenges crown prince's plans for tech city. In: bbc.com. BBC, 23. April 2020, abgerufen am 21. April 2024 (englisch).
  6. Ali Younes: Saudi forces kill man who refused to give up property: Activists. In: Al Jazeera. 15. April 2020, abgerufen am 15. Dezember 2022 (englisch).
  7. Dunja Ramadan: Auf Sand und Blut gebaut. In: Süddeutsche Zeitung. 11. Mai 2020, abgerufen am 15. Dezember 2022.
  8. Middle East Eye: Killing of Saudi activist exposes tensions over Neom megacity project. YouTube, 17. April 2020, abgerufen am 14. Mai 2020.
  9. Thomas Stölzel: Neom soll Saudi-Arabien den Weg aus dem Ölzeitalter ebnen – um jeden Preis. In: wiwo.de. 2. April 2022, abgerufen am 17. Mai 2024.
  10. Rabiya Jaffery: Todesurteile in Saudi-Arabien: Sie wollten nur bleiben. In: taz.de. 12. Oktober 2022, abgerufen am 14. Oktober 2022.
  11. James Rothwell: Tribesmen ‘sentenced to death’ for resisting futuristic Saudi megacity. In: The Sydney Morning Herald. 10. Oktober 2022, abgerufen am 14. Oktober 2022 (englisch).
  12. Saudi Arabia: UN experts alarmed by imminent executions linked to NEOM project. In: ohchr.org. UNO, 3. Mai 2023, abgerufen am 18. Mai 2024 (englisch).
  13. Richard F. Burton: THE LAND OF MIDIAN (Revisited) By Richard F. Burton - Vol. I. of two Volumes. In: gutenberg.org. Abgerufen am 21. Mai 2024 (englisch).