Abendmahlsvergiftung

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Innenansicht des Grossmünsters von Zürich

Die Abendmahlsvergiftung oder Nachtmahlvergiftung war eine Massenvergiftung am Bettag, dem 12. September 1776, in Zürich.

Bei der Einnahme des Abendmahlweines am Bettag 1776 im Zürcher Grossmünster traten Unverträglichkeiten auf. Der Wein wurde laut Samuel Hahnemann mit der sogenannten „Würtenbergischen Probe“ untersucht, bei der der Zusatz von Schwefelleber einen schwarzen Niederschlag auslöste. Diese Reaktion wurde als sicherer Nachweis einer Zusetzung von Bleizucker in krimineller Absicht gewertet. Das Verfahren wurde später wegen seiner geringen Spezifität obsolet. Es reagierte auch auf andere Schwermetalle sowie auf Eisenverbindungen.[1] Nach Lavaters Dossier zur Abendmahlsvergiftung soll der Wein dagegen mit einem toxischen Gebräu, dessen Bestandteile unter anderem Stechapfel, Schwertlilie und Arsenik waren, versetzt worden sein. Die Aussagen der Zeitzeugen und die geklagte Symptomatik lassen jedoch retrospektiv am ehesten auf eine akzidentelle Verunreinigung oder auf eine bakterielle Zersetzung oder Toxinbildung schliessen.

Der Vorfall wurde umgehend durch die Zürcher Geistlichkeit aufgegriffen, die ihn durch eine besondere Verderbnis der Zürcher bedingt sah. Das Ereignis wurde von den Stadtpfarrern über Wochen in den Predigten der vier Hauptkirchen thematisiert und verbreitete sich über die Zeitungspresse in Europa. Johann Kaspar Lavater ging in seinen mehrfach gedruckten beiden Predigten zur Nachtmahlvergiftung so weit, dass er die Ausführung der vermeintlichen Tat einem einzelnen kriminellen und gottlosen Verbrecher aus der Stadtbevölkerung zuschrieb. In der Konsequenz versuchte man 1780 dem straffällig gewordenen Johann Heinrich Waser die Tat unterzuschieben, wogegen Waser jedoch heftig widersprach. Lavater veröffentlichte 1777 im Teutschen Merkur ein umfangreiches Dossier,[2] das auch separat unter dem Titel Wahrhaffte Geschichte, der den 12ten Herbstmonat 1776, als in der Nacht auf den allgemeinen Bet-Buß und Fast-Tag, verübten Greuel-That, bey Vergifftung des Nachtmahl-Weins, verfaßt von Herrn Joh. Caspar Lavater, Pfarrern an der Waysen-Kirche zu Zürich erschien.[3] Die Reaktion des europäischen Publikums blieb lange gespalten. Christoph Meiners liess sich bei seinem Besuch in Zürich von der Anschlagstheorie überzeugen.[4] Lavaters Postulat des „radikalen Bösen“ wurde dagegen von Friedrich Nicolai in der Allgemeinen Teutschen Bibliothek ironisch widerlegt.[5][6] Auch Gottlieb Emanuel von Haller distanzierte sich in seiner Rezension[7] der Lavaterschen Predigten ebenfalls eindeutig:

„Zwo schaudervolle Predigten, die der Verfasser bei gesetzterem Alter gewiß nicht mehr billigen wird. Über ein Verbrechen, dessen Daseyn noch nicht erwiesen ist, und vielleicht nur auf blosser Unreinheit beruhet...“

  • Jeffrey Freedman: Die Abendmahlsvergiftung in Zürich: Nicolai und Lavater über das radikal Böse. Presented to an international conference on “Public Debates in the German Enlightenment,” sponsored by the University of Potsdam, Germany, December 2004.

Einzelnachweise

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  1. Samuel Hahnemann: Gesammelte Kleine Schriften. Georg Thieme Verlag, 2001, S. 81f.
  2. Lavater, Wahrhaffte Geschichte...
  3. Die Nachtmahlvergiftung. In: Das Antlitz eine Obsession. Kunsthaus Zürich, 2001, S. 87.
  4. Christoph Meiners: Briefe über die Schweiz. 2. Brief. Band 1. Spener, 1788, S. 57 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. Friedrich Nicolai (Hrsg.): Allgemeine deutsche Bibliothek. Band 68. F. Nicolai, 1786 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Günther Lottes, Iwan-Michelangelo D’Aprile: Hofkultur und aufgeklärte Öffentlichkeit, Potsdam im 18. Jahrhundert im europäischen Kontext. Akademie Verlag, Berlin 2006, S. 137.
  7. Gottlieb Emanuel von Haller: Bibliothek der Schweizer-Geschichte und aller Theile, so dahin Bezug haben. Haller, Bern 1787, Band 6, S. 191.