Hilfebedarf von Menschen mit Behinderung

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Das Verfahren Hilfebedarf von Menschen mit Behinderung (HMB) nach Metzler – verkürzt auch Metzler-Verfahren – ist ein Bedarfserhebungsverfahren aus dem Bereich der Behindertenhilfe.

Das Metzler-Verfahren wird in acht Ländern der Bundesrepublik Deutschland zur Abrechnung mit den Kostenträgern angewendet[1] und besitzt damit die größte Anerkennung unter den Bedarfserhebungsverfahren für die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen.

Nachdem Ende der 1990er Jahre verschiedene Qualitätsmanagement- und Bedarfserhebungsverfahren wie „System der Leistungsbeschreibung, Qualitätsbeschreibung, Qualitätsprüfung und Entgeltberechnung“, „Gestaltung der Betreuung von Menschen mit Behinderung (GBM)“ oder „Lebensqualität in Wohnstätten für erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung (LEWO)“ von den Fachverbänden der Behindertenhilfe entwickelt worden waren, beauftragte 1997 im Zuge der Reform des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG)

  • der Verband für anthroposophische Heilpädagogik, Sozialtherapie und soziale Arbeit,
  • der Verband evangelischer Einrichtungen für Menschen mit geistiger und seelischer Behinderung,
  • der Verband katholischer Einrichtungen und Dienste für lern- und geistigbehinderte Menschen und
  • der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung

die Universität Tübingen mit der Erstellung eines Gutachtens, auf Grundlage ihrer Verfahren,[2] um ein Modell zu entwickeln, dass den gesetzlichen Forderungen entspricht.

Als Ergebnis des Gutachtens entstand „Ein Modell zur Bildung von 'Gruppen von Hilfeempfängern mit vergleichbarem Hilfebedarf' gemäß § 93a BSHG“[2], das von Heidrun Metzler von der Forschungsstelle „Lebenswelten behinderter Menschen“ erstellt wurde und zur Entwicklung des „Metzler-Verfahrens“ zur Ermittlung des individuellen Hilfebedarfes[3] führte.

„Hilfebedarf von Menschen mit Behinderung (HMB)“ liegt in den Versionen HMB-W für den Wohnbereich und HMB-T für den Bereich der Tagesstruktur (Tagesstätten und Werkstätten für Menschen mit Behinderung) vor.[4]

Im Zuge eines weiteren Reformschritts des BSHG hin zum Sozialgesetzbuch (SGB), waren die Fachverbände aufgefordert „...mit den Vereinigungen der Träger der Einrichtungen auf Landesebene gemeinsam und einheitlich Rahmenverträge zu den Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen nach § 93 Abs. 2 BSHG in der ab 1. Januar 1999 geltenden Fassung ab...[zu schließen.] In den Rahmenverträgen sollen die Merkmale und Besonderheiten der jeweiligen Hilfeart berücksichtigt werden.“[5]

Entsprechend der erhobenen gesetzlichen Forderung zielt das HMB darauf ab, den Hilfebedarf so zu erfassen, dass er Fallgruppen (auch als „Hilfebedarfsgruppe“ oder „Leistungstyp“ bezeichnet) zugeordnet werden kann, auf deren Grundlage die Entgeltabrechnung mit dem Kostenträger stattfindet.

Der Hilfebedarf wird zu diesem Zweck anhand eines Fragebogens erfasst, wobei dieser in sieben Bereiche aufgeteilt ist, die nochmals untergliedert sind in einzelne Items als Aussage über die Fähigkeiten der betreffenden Person:

  1. „Alltägliche Lebensführung“ (mit 7 Items)
  2. „Individuelle Basisversorgung“ (mit 6 Items)
  3. „Gestaltung sozialer Beziehungen“ (mit 3 Items)
  4. „Teilnahme am kulturellen und gesellschaftlichen Leben“ (mit 5 Items)
  5. „Kommunikation und Orientierung“ (mit 4 Items)
  6. „Emotionale und psychische Entwicklung“ (mit 4 Items)
  7. „Gesundheitsförderung und -erhaltung“[6] (mit 5 Items).

Die verschiedenen Items werden mit einem „Aktivitätsprofil der Person“, im Sinne „Kann“, „Kann mit Schwierigkeiten“ oder „Kann nicht“ erfasst, sowie in Abstufung von A–D, welcher Hilfebedarf erforderlich ist.[6]

Da die Zuständigkeit der Kostenträger je nach Bundesland in Deutschland unterschiedlich organisiert ist, gibt es verschiedene Rahmenvereinbarungen. In Baden-Württemberg wurde diese beispielsweise mit dem Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS) geschlossen.[7]

Um den Hilfebedarf eines Menschen mit Behinderung richtig zu beurteilen, soll seine Lebenssituation und seine Selbsthilfemöglichkeiten klar sein, sodass Ziele der Unterstützung vereinbart werden können. Dies setzt den Einbezug des Betroffenen bzw. seiner Interessenvertreter (Angehörige, gesetzliche Betreuer) voraus. Auch andere Personen, die den betreffenden Mensch mit Behinderung gut kennen, können einbezogen werden, was besonders bei sehr schwer behinderten Menschen empfohlen wird.[8]

In Baden-Württemberg erhält der Kostenträger den ausgefüllten Erhebungsbogen, oder eine Zusammenfassung der Daten, wobei beispielsweise in einem Entwicklungsbericht dargestellt werden soll „welche Art und welche Maßnahmen der Hilfe im Hinblick auf die Problemlage der betroffenen Person und die genannten Zielsetzungen empfohlen werden. Sofern zusätzliche oder andere Hilfemaßnahmen empfohlen werden, sollen diese unter 'Sonstige Maßnahmen' näher beschrieben werden.“[9]

Da das Metzler-Verfahren sich auf die reine Bedarfserhebung beschränkt, gibt es bezüglich der Hilfeplanung keine eigene Anwendung. Es können „...über das H.M.B. Verfahren keine Ziele festgelegt werden und somit die eigentlich damit verbundenen Leistungen und Maßnahmen nicht ermittelt werden...“[10] Art, Ausführung und Organisation der Hilfe obliegt daher allein der Fachkompetenz der betreuenden Mitarbeiter einer Institution, auch unter Zuhilfenahme anderer Verfahren.

So kommt dazu in einigen Bundesländern das Verfahren „Individuelle Hilfeplanung“ (IHP) zum Tragen.[11] Selbst die Softwareentwickler des oben genannten GBM-Verfahrens haben eine Schnittstelle zum Metzler-Verfahren vorgesehen,[12] obwohl das GBM-Verfahren selbst eine noch differenziertere Bedarfserhebung beinhaltet.

Obwohl das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) feststellt, dass es sich nur um ein Verfahren zur Erfassung des Hilfebedarfs handelt, wird es im „Ersten Bericht über die Situation der Heime und die Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner“ im Kapitel über Qualitätssicherung in der stationären Behindertenhilfe angeführt.[13] Auch in Fachdiskussionen wird das Verfahren oft in den Zusammenhang mit Qualitätssicherungs-Instrumenten gebracht.

Während eine klare Erfassung des Hilfebedarfs sicher ein Bestandteil eines Qualitätsmanagements ist, kann das Metzler-Verfahren für diesen Zweck jedoch nur ein Instrument von vielen sein; trägt es doch nichts zur Weiterentwicklung der Betreuung bei, weil es weder inhaltliche noch organisatorische Standards festlegt – wobei es selbst diesen Anspruch auch gar nicht erhebt. Allerdings erscheint das Verfahren insgesamt auf den Bedarf des Kostenträgers nach einer verlässlichen, jedoch eher pauschalen als individuellen und differenzierten Abrechnungsgrundlage ausgerichtet.

Einzelnachweise

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  1. Download (Memento vom 12. August 2014 im Internet Archive), Homepage Lebenshilfe, Ausschuss Wohnen der Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V.: „Vergleich bestehender Hilfebedarfsbemessungsverfahren Stand“ [des Dokumentes]: Januar 2013, Seite 3 (Stand: 3. August 2014).
  2. a b Download (Memento vom 8. August 2014 im Internet Archive) EBERHARD-KARLS-UNIVERSITÄT TÜBINGEN, Forschungsstelle „Lebenswelten behinderter Menschen“ Nauklerstraße 37 A - D 72074 Tübingen, Dr. Metzler, Heidrun: Ein Modell zur Bildung von „Gruppen von Hilfeempfängern mit vergleichbarem Hilfebedarf“ gemäß § 93a BSHG - Voraussetzungen und methodische Umsetzung – (Gutachten), Tübingen, Tübingen, Februar 1998 (Stand: 5. August 2014)
  3. Homepage Beratungszentrum Alsterdorf, Alsterdorfer Fachforum, dort: Nutzerbefragung und Subjektorientierung. Krüger, Carsten: „Nutzerbefragung und andere Methoden im internationalen Vergleich“, S. 1 (Stand: 3. August 2014)
  4. Homepage Lebenshilfe, Hilfebedarfsgruppen / HMB-Verfahren (Stand: 3. August 2014).
  5. Download, „Erläuterungen der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege zur Bundesempfehlung nach § 93 d Abs. 3 BSHG für den stationären Bereich vom 15.02.1999“, S. 2 (Stand: 4. August 2014).
  6. a b Download (Memento vom 8. August 2014 im Internet Archive), „Hilfebedarf von Menschen mit Behinderung“ © Fragebogen zur Erhebung im Lebensbereich „Wohnen“ / Individuelle Lebensgestaltung – (H.M.B.-W - Version 5/2001), © Dr. Heidrun Metzler, Forschungsstelle „Lebenswelten behinderter Menschen“, Universität Tübingen, Nauklerstraße 37a - 72074 Tübingen, (Stand: 3. August 2014).
  7. Download, Homepage KVJS:„Rahmenvertrag nach § 79 Abs. 1 SGB XII vom 15. Dezember 1998, geändert am 1. Januar 2005, 20. September 2006 in der aktualisierten Fassung vom 22. November 2012 zu den Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII für Baden-Württemberg für stationäre und teilstationäre Einrichtungen und Dienste“, S. 12 (Stand: 3. August 2014).
  8. Download, Niedersächsische Anwendungshinweise zum HMB-W Verfahren, Anlagen 2, 2.3 (S. 68): Eberhard-Karls-Universität Tübingen: „Hinweise zum Verständnis des Fragebogens zum >Hilfebedarf< (H.M.B.-W/Version 5/2001)“ (Stand: 4. August 2014)
  9. Download, Homepage KVJS: „Anleitung und Hinweise zur Erstellung einer Dokumentation für die Hilfeplanung im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen auf dem Formblatt HB/A“ Nov. 2009 S. 26 (Stand: 3. August 2014).
  10. Download, Hoffmann, Peter: „Von der Bedarfsfeststellung zur Teilhabeplanung - Hilfeplanung in der Bundesrepublik Deutschland“, Masterthesis, Fachbereich Sozialwesen der Hochschule Fulda, S. 21 (Stand: 3. August 2014).
  11. Homepage Wichernhaus (Memento des Originals vom 11. August 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.wichernhaus.com, Konzeption „Leistungs- und Prüfvereinbarungen“ (Stand: 3. August 2014).
  12. Download (Memento vom 16. Juli 2004 im Internet Archive), Produktinformation TOPSOZ©-GBM©-Behindertenhilfe-Assistent, Stand: Sept. 2003., S. 1 & S. 14 (Stand: 3. August 2014)
  13. Homepage Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Memento des Originals vom 14. Mai 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bmfsfj.de, (Stand: 3. August 2014): Erster Bericht des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend über die Situation der Heime und die Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner, Kap. 7.7 (Stand [des Berichtes]: 15. August 2006)