Regula Lüscher

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Regula Lüscher, 2009

Regula Lüscher (* 9. Oktober 1961 in Basel)[1] ist eine schweizerisch-deutsche Architektin und Stadtplanerin. Sie war von März 2007 bis Ende Juli 2021 Senatsbaudirektorin von Berlin und Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. Sie ist seit 2021 Mitglied der Akademie der Künste, Berlin.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach ihrer Matura, die sie 1980 in Basel absolvierte, studierte sie von 1981 bis 1986 Architektur an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich.[2] Danach arbeitete sie von 1987 bis 1988 in einem Zürcher Architekturbüro (Büro Max Baumann & Georges Frey) und daraufhin von 1988 bis 1989 im Atelier von Adolf Krischanitz in Wien.[2] Von 1989 bis 1998 führte sie zusammen mit Patrick Gmür ein eigenes Architekturbüro in Zürich.[2]

Im Jahr 1998 wechselte sie in die Öffentliche Verwaltung: Sie arbeitete für das Amt für Städtebau der Stadt Zürich – zuerst als Bereichsleiterin „Architektur und Städtebau“, ab 2000 als Gesamtleiterin Stadtplanung und von 2001 bis 2007 als stellvertretende Direktorin.[2] Dort entwickelte sie unter anderem das Gewerbeareal Zürich West zu einem neuen Viertel für Wohnungen und Dienstleistungen.[1]

Am 1. März 2007 wurde sie zur Senatsbaudirektorin und Staatssekretärin in der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ernannt.[1] Damit wurde sie Nachfolgerin von Hans Stimmann. Die Senatorin für Stadtentwicklung Ingeborg Junge-Reyer holte Lüscher aus Zürich, weil sie sich im dortigen Städtebauamt „als fachlich kompetent bewiesen“[1] und einen „exzellenten Ruf“[3] erworben habe. Lüscher bezeichnet ihre Berufung in einem Interview rückblickend als intransparenten Vorgang, der „hinter verschlossenen Türen“ ablief.[4] Der Junge-Reyer nachfolgende Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, im Senat Wowereit IV, Michael Müller, hatte Lüscher als eine der wenigen Staatssekretärinnen als Senatsbaudirektorin im Amt bestätigt. Dessen Nachfolger Andreas Geisel im Senat Müller I setzte die Zusammenarbeit mit ihr fort. Auch im rot-rot-grünen Berliner Senat von 2016 behielt sie dieses Amt unter Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen Katrin Lompscher (Die Linke) sowie Lompschers Nachfolger Sebastian Scheel (Die Linke).[5]

Am 22. Juni 2021 gab der Senat von Berlin in einer Pressemitteilung bekannt, Lüscher mit Ablauf des 31. Juli 2021 auf eigenen Wunsch in den einstweiligen Ruhestand versetzen zu wollen.[6] Ihre Arbeit in Berlin sei an einem Punkt angekommen, den sie sich stets gewünscht habe: „mit mehr Gemeinwohl, mehr Architekturqualität, mehr Partizipation und mehr Klimaschutz“.[7] In einem Interview mit dem Tagesspiegel gab sie zudem persönliche Gründe an.[8] Mit Wirkung vom 31. Juli 2021 schied sie schließlich aus dem Staatsdienst aus.

Seit 2022 arbeitet sie von Winterthur aus selbstständig als Expertin für Architektur, Stadtplanung, Management und Frauenförderung.[9]

Seit 2016 besitzt Lüscher auch die deutsche Staatsangehörigkeit.[10] Sie ist seit dem 5. Januar 2013 mit einem Schweizer verheiratet.[11] Nach Ende ihrer Berliner Amtszeit ist ihr Lebensmittelpunkt Winterthur, sie hat jedoch weiter eine Wohnung in Berlin.[12]

Lehre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 1989–2007: Lehrtätigkeit für Architektonischen Entwurf und Städtebau an der ETH Zürich und verschiedenen Fachhochschulen in der Schweiz[2]
  • 2011: Ernennung zur Honorarprofessorin an der Universität der Künste Berlin (UdK)[13]
  • 2012: Wirken als Honorarprofessorin an der UdK, Fachgebiet Stadterneuerung
  • Seit 2024: Lehre an der ETH Zürich für Raumentwicklung und Prozessdesign[14]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Würdigungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Online-Architekturplattform Baunetz meinte, Regula Lüscher habe die Stadtentwicklung Berlins maßgeblich geprägt.[14]

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hob hervor, dass Lüscher „eine neue Kultur des architektonischen Dialogs in der Stadt etablieren“ konnte. Das sei ein deutlicher Unterschied zu ihrem „kontroversen, teilweise schroffen Vorgänger“ Hans Stimmann.[15] Ferner habe sie in Berlin das „Instrumentarium des Baukollegiums geschaffen“.[15] Dieses Expertengremium, das seit 2017 öffentlich tagt,[16] gibt zur architektonischen Qualität von stadtbildprägenden Entwicklungsprojekten und einzelnen Bauvorhaben Empfehlungen ab.[17] Es arbeitet auch nach Lüschers Weggang aus Berlin weiter.[18][19]

Auch die Architektenkammer Berlin lobte die Arbeit von Lüscher. Sie habe mit einem „guten Auge für Qualität“ einer „Planungskultur zum Durchbruch verholfen, in deren Mittelpunkt Prozessqualitäten stehen“. Die Kammer forderte, diese Orientierung an „Diskurs, Debatte und Beteiligung“ müsse in Berlin fortgesetzt werden.[20]

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Regula Lüscher galt als „Berlins überforderte Senatsbaudirektorin“.[21]

Die Berliner Zeitung bilanzierte zur Abberufung, dass bislang niemand so lange das Senatsbaudirektorenamt innehatte und zugleich so wenig in jedem Amtsjahr für die Stadtentwicklung schaffte wie Regula Lüscher.[22]

Kritik zog Regula Lüscher auch durch die Arbeitsweise des von ihr geleiteten Baukollegiums auf sich. Die Entscheidungswege seien „intransparent“ bzw. fänden im „Halbdunkel“ statt[23] und liefen im Ergebnis stets auf die gleichen, von Regula Lüscher bevorzugten (Schweizer) Architekten hinaus.[24][25]

Ralf Schönball sagt über Lüscher im Tagesspiegel: „(...) Regula Lüscher nimmt im Halbdunkeln ihres Baukollegiums Einfluss auf die Investoren, aber die hervorgebrachten Bauten sind singuläre Anstrengungen mit – bevorzugt – neomoderner Fassade. Sie verraten eine ästhetische Haltung, aber kein städtebauliches Konzept.“[26]

Lüscher stand für eine Stadtgestaltung, die sich am Bauhaus bzw. dem Neuen Bauen der Mitte des 20. Jahrhunderts orientiert. Historische Bezüge zu Bautraditionen und die Kontextualisierung zum Stadtbild vor dem Zweiten Weltkrieg sowie Rekonstruktionen lehnte sie weitgehend dogmatisch ab. So setzte sie als Preisrichterin eine minimalistisch reduzierte Gestaltung für das Humboldt Forum durch, die auf die zum Teil noch vorhandenen historischen Elemente (Neptunbrunnen, Oranierfürsten, Skulpturen, Terrassen) völlig verzichtet, sondern im Wesentlichen aus einer durchgehend versiegelten, gepflasterten Fläche mit wenig Grün besteht.[27][28][29] Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass das Schloss als „Projekt des 21. Jahrhunderts“ erkennbar gemacht und außerdem ausreichend Parkflächen für Reisebusse aufweisen müsse.[30] Bezüglich des Neptunbrunnens äußerte Lüscher, sie lehne seine Rückkehr auf den Schloßplatz ab, da sie nicht wolle, dass dort eine Art Freilichtmuseum entstehe.[31] Der Verein Berliner Historische Mitte kritisierte sie ebenfalls und vermisste bei Lüscher den Einsatz für das „alte Berlin“.[32]

Publikationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Regula Lüscher (Hrsg.): Bauen für Menschen. Architektur für und mit Menschen in Berlin Ausstellung und Film, Berlin, 2021,[33]
  • Regula Lüscher (Hrsg.): »... ganz große Oper eben!« Die Staatsoper Unter den Linden von 2010 bis 2017. Eine Dokumentation. DOM publishers, Berlin, 2017, ISBN 978-3-86922-502-9.
  • Regula Lüscher (Hrsg.): Baukollegium Berlin, Beraten, vermitteln, überzeugen in einem komplexen Baugeschehen (Autoren Sonja Beeck, Martin Peschken, Jürgen Willinghöfer) Jovis Verlag, Berlin, 2016, ISBN 978-3-86859-441-6.
  • Kristin Feireiss, Oliver G. Hamm in Kooperation mit Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Regula Lüscher (Hrsg.): Transforming Cities, Urban Interventions in Public Space, Jovis Verlag, Berlin, 2015, ISBN 978-3-86859-337-2
  • Kristien Ring in Kooperation mit Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Regula Lüscher (Hrsg.): Urban Living, Strategien für das zukünftige Wohnen, Jovis Verlag, Berlin, 2015, ISBN 978-3-86859-331-0.
  • Franz Eberhard, Regula Lüscher (Hrsg.): Zürich baut. Konzeptioneller Städtebau (Autoren Angelus Eisinger und Iris Reuther) Birkhäuser, Basel 2007, ISBN 978-3-7643-7996-4.
  • Ich habe eine völlig neue Haltung zur Stadtentwicklung vorangebracht. Interview mit Regulation Lüscher von Sebastian Redecke und Benedikt Crone, in: Bauwelt, Jg. 112, 2021, Heft 19 vom 17. September 2021 (= Stadt Bauwelt, Nr. 231), S. 57 bis 61.

Gremien, Aufsichtsräte und Mitgliedschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 2012: Urban Land Institute (ULI), Verleihung des Goldenen Ginkoblattes, ULI Germany Leadership Award, für „zukunftsorientiertes und nachhaltiges Denken und Handeln“.[37]
  • 2022: Aufnahme in die Akademie der Künste, Berlin[38]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Zur Person: Regula Lüscher. In: Berliner Morgenpost, 24. Februar 2013.
  2. a b c d e f g h i j k l Lebenslauf bei Land Berlin.
  3. Superhelden. In: Immobilienwirtschaft, Heft 11-2016, S. 36.
  4. Elias Baumgarten: Interview mit Regula Lüscher nach ihrer Amtszeit. In: swiss-architects.com. 27. Januar 2022, abgerufen am 3. März 2022.
  5. Regula Lüscher bleibt im Amt! In: B.Z. 6. Dezember 2016, abgerufen am 6. Dezember 2016.
  6. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher wird zum 31. Juli in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Der Regierende Bürgermeister, Senatskanzlei, 22. Juni 2021, abgerufen am 1. August 2021.
  7. Ulrich Paul: Senatsbaudirektorin Regula Lüscher hört auf. In: Berliner Zeitung. 22. Juni 2021, abgerufen am 28. Mai 2024.
  8. Ralf Schönball: „Dinge, die nicht entstehen, sind oft ein Segen“. In: Tagesspiegel. 21. Juni 2021, abgerufen am 23. Juni 2021.
  9. Regula Lüscher. In: Bundesstiftung Baukultur. Archiviert vom Original am 18. September 2022; abgerufen am 28. Mai 2024.
  10. Isabell Jürgens: „Zu jeder Stadt gehören auch Bausünden“. In: Berliner Morgenpost, 28. Juli 2021 S. 17.
  11. Aufruf vom 15. Dezember 2014: [1]
  12. Elias Baumgarten: Regula Lüscher: «Mich verwundert, dass sich die Kritik so sehr gegen Petra Kahlfeldt richtet, aber kaum gegen Giffey und die SPD». In: swiss-architects.com. 27. Januar 2022, abgerufen am 28. Mai 2024 (Internview).
  13. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher wird Honorarprofessorin der Universität der Künste Berlin. Universität der Künste Berlin, 20. Dezember 2011, archiviert vom Original am 12. Juli 2012; abgerufen am 12. Juli 2012.
  14. a b Stadtmacherin: Politisch aktiv für eine sozialverträgliche Stadt. In: baunetz-campus.de. 5. März 2024, abgerufen am 27. Mai 2024.
  15. a b Ulf Meyer: „Architektonische Qualität einzufordern war am Anfang nicht gefragt“. In: Frankfurter Allgemeine. 31. Juli 2021, abgerufen am 27. Mai 2024 (Interview mit Regula Lüscher).
  16. Senat bestellt neue Mitglieder in das Baukollegium Berlin. In: berlin.de. 4. Mai 2022, abgerufen am 27. Mai 2024 (Pressemeldung der Berliner Senatskanzlei).
  17. Architektonische Qualität steigern. Baukollegium für Berlin. In: Baunetz. 5. August 2008, abgerufen am 27. Mai 2024.
  18. Baukollegium Berlin. In: berlin.de. Abgerufen am 27. Mai 2024.
  19. Umfassend zu dieser Institution Sonja Beeck, Martin Peschken, Jürgen Willinghöfer: Baukollegium Berlin. Beraten, vermitteln, überzeugen in einem komplexen Baugeschehen. Herausgegeben von Regula Lüscher, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin (Übersetzung: Mara Taylor, Susann Arjang, Mary Dellenbaugh). Jovis Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-86859-441-6.
  20. Architektenkammer Berlin: Vorstand der Architektenkammer Berlin würdigt Arbeit von Senatsbaudirektorin Regula Lüscher. In: ak-berlin.de. 24. Juni 2021, abgerufen am 28. Mai 2024.
  21. Katrin Schoelkopf, Dirk Westphal: Berlins überforderte Senatsbaudirektorin. Die Welt, abgerufen am 3. März 2022.
  22. Hans Kollhoff: „Danke für nichts!“ Zum Abschied von Senatsbaudirektorin Regula Lüscher. Regula Lüscher hört auf. Mit 59 Jahren geht sie in den Ruhestand. Ihre Bilanz ist ernüchternd, die Stadt ist nicht vorangekommen. In: Berliner Zeitung. 26. Juni 2021, abgerufen am 6. Juni 2023.
  23. Hans Kollhoff: „Wir brauchen eine neue Karl-Marx-Allee“. In: Der Tagesspiegel. 30. März 2016, abgerufen am 18. November 2016.
  24. Ralf Schönball: Die Baufrau von Berlin. Regula Lüscher will auch nach der Wahl Senatsbaudirektorin bleiben. Viele schätzen sie – und beklagen dennoch fehlenden Mut bei Neubauten. In: Der Tagesspiegel. 26. Juni 2016, abgerufen am 18. November 2016.
  25. Andreas Kilb: Stadtplanung in Berlin: Die Hüterin der Brachen. Die Berliner Senatsbaudirektorin Regula Lüscher hat keine Vision für die Zukunft der Stadt. Lieber will sie die architektonische Hinterlassenschaft der DDR konservieren. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 19. April 2013, S. Feuilleton, Seite 24.
  26. Ralf Schönball: Wohnungsbau in Berlin: "Wir brauchen eine neue Karl-Marx-Allee". In: Der Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 6. Juni 2023]).
  27. Pressemitteilung: Freiraumwettbewerb Umfeld Humboldt-Forum entschieden. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, 16. Januar 2013, abgerufen am 18. November 2016.
  28. Manfred Rettig: Der Neptunbrunnen gehört vor das Schloss. Wilhelm v. Boddien, Förderverein Berliner Schloss e. V., abgerufen am 18. November 2016.
  29. Thomas Loy: Überall Kopfsteinpflaster: So sieht der neue Schlossplatz aus. In: Der Tagesspiegel. 12. Juni 2015, abgerufen am 18. November 2016.
  30. Wilhelm von Boddien: Busbahnhof Berliner Schloss. Förderverein Berliner Schloss e. V., September 2016, abgerufen am 18. November 2016.
  31. Häufig gestellte Fragen zum Wiederaufbau des Schlosses |. 26. September 2020, abgerufen am 4. Juni 2023.
  32. Ulrich Paul: Schluss mit der Fernbeziehung! Senatsbaudirektorin Regula Lüscher hört auf. Abgerufen am 4. Juni 2023 (deutsch).
  33. Bauen für Menschen. Architektur für und mit Menschen in Berlin. In: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. 10. Juni 2021, abgerufen am 10. Juni 2021.
  34. a b c d e f Lebenslauf bei Akademie der Künste.
  35. Website des Festivals.
  36. Vom Regierungsrat gewählte Mitglieder der Stadtbildkommission Basel.
  37. „ULI-Auszeichnung für Senatsbaudirektorin Lüscher“
  38. Zuwachs für Akademie der Künste. In: Kölnische Rundschau, 25. Januar 2022.